Beim Ordnen der Unterlagen fiel ein Foto des Konventes St. Odilia, Bonn, aus dem Jahre 1990 in die Hände – Erinnerungen wurden geweckt. Das Kloster Bonn war mit sieben Konventualen der damals größte Konvent in Deutschland und das vom Durchschnittsalter her jüngste Kloster.
Das Foto zeigt, jeweils von links nach rechts, sitzend: Nico van Rijn und Gerard Reijners, stehend: Dirk Wasserfuhr, Marianus van Zeeland, Leo Samosir, Stephan Bringer und Heinrich Wolsing. Es war eine Gemeinschaft mit sehr unterschiedlichen Charakteren.
Gerard Reijners
Gerard Reijners, Senior des Klosters und langjähriger Provinzialvikar, war, wenn man so sagen darf, der „geistliche Vater“ des Konventes. Spirituell und ordensgeschichtlich auf der Höhe, gab er allen sein Wissen weiter und wachte über die Einhaltung der Ordenstraditionen und der Klosterordnung.
Gern hat er sich mit uns Jüngeren unterhalten und diskutiert, wobei seine angenehme Art ein gutes Gesprächsklima schuf. Gern entsinne ich mich der Ferienzeiten, wenn Confrater Reijners mit uns Jungen allein zu Hause war. Dann wurde er zu einem „gütigen Großvater“, der mit seinen Kindern auch mal ins Kino ging, mal die Ordensregeln vergessen konnte und die „Fünf“ gerade sein ließ.
Marianus van Zeeland
Marianus van Zeeland haben wir Jüngeren leider nur kurze Zeit kennenlernen dürfen – allzu früh verstarb er plötzlich und unerwartet im Jahre 1991. Doch ist er mir als herzlicher und offener Mitbruder und Mensch in guter Erinnerung.
Trotz seiner vielfältigen körperlichen Beschwerden zeigte er sich stets freundlich und den Menschen zugewandt. Sein bescheidenes, ruhiges und herzliches Wesen ließ ihn als Mitbruder und Pastor der Gemeinde Hl. Kreuz große Beliebtheit und Anerkennung erfahren: Er war im Konvent derjenige, der ausgleichend wirkte und einen Ruhepol darstellte.
Nico van Rijn
Nico van Rijn, Nachfolger von Marianus van Zeeland als Pastor von Hl. Kreuz und auch langjähriger Provinzialvikar, war Rektor des Klosters. Was Confrater Reijners im spirituellen Bereich war, das war Nico im Lebensnotwendigen. Unermüdlich war er unterwegs, um Alltagsdinge des Klosters zu regeln oder zu organisieren: Einkäufe, Reparaturen usw.
Benötigte jemand etwas, war Nico gleich zur Stelle. Seine Hilfsbereitschaft und Einsatzfreudigkeit war groß. Ich denke, das Wort „Nein“ kannte er nicht.
Sonntags stand er abwechselnd mit Heinrich Wolsing in der Küche, um für den Konvent das Mittagessen zu bereiten – und dieses war stets gut und reichhaltig (überall kam Créme fraiche dran). Zudem war er ein beliebter und guter Gastgeber – Gastfreundschaft für ihn ein hoher Wert.
Heinrich Wolsing
Heinrich Wolsing, langjähriger Pastor der Gemeinde St. Gallus in Bonn-Küdinghoven, war ein echtes Original. Von uns Jungen wurde er stets nur „Onkel Heini“ genannt.
Integration war für ihn kein Fremdwort. Als Niederländer hatte er sich, im Rheinland wohnend, direkt dem Karneval verschrieben – oft hat er hoch auf den Karnevalswagen stehend, die närrischen Umzüge begleitet. Auch sonst war Onkel Heini ein geselliger und humorvoller Typ, der das gesellschaftliche Leben zu genießen wusste.
Wenn abends die „älteren Herren“ bereits zu Bett waren, haben wir mit ihm sehr viel Spaß erfahren. Seine Pfeife im Mund haltend, gab er dann einen nach dem anderen zum Besten. Benutzte Heinrich Fremdwörter, gab es jedes Mal Gelächter – er verwechselte sie ständig – z.B. erzählte er eines Tages, dass seine Schule auch für Frösche eine Utopie angelegt hätte – natürlich meinte er ein Biotop.
So unterhaltsam er war, so ängstlich war er auch. Anfang der neunziger Jahre gab es im Rheintal ein ziemlich starkes Erdbeben mitten in der Nacht. Im Kloster fiel der Putz von den Wänden und Gegenstände stürzten herab. Der beleibte Onkel Heini, nur mit einer Schlafanzughose bekleidet, geriet in Panik und wollte, auf die Straße rennend, sich in Sicherheit bringen. Sein Anblick war alles andere als der eines Fotomodells; so hielten wir Jüngeren ihn auf und verbaten ihm raus zu rennen, um dem Kloster die Blamage zu ersparen und uns nicht lächerlich zu machen. Nun, wir haben überlebt, wenn auch Onkel Heini unter Todesängsten – aber das Ansehen des Klosters blieb gewahrt.
Als Nachbarpastor von Nico stand er stets in Konkurrenz. Hatte er 200 Messbesucher, so hatte der andere angeblich 250. Ja, von Heinrich Wolsing gäbe es noch so manche Anekdote zu berichten. Wenn wir samstagsmorgens zu ihm sagten: „Wir kommen heute zu dir zur Beichte“, bekam er Schweißausbrüche und suchte nach Argumenten, um uns davon abzuhalten. Für uns war Heinrich Wolsing ein richtiger Kamerad!
Den drei jüngeren Mitbrüdern
Zu den drei jüngeren Mitbrüdern ist noch erklärend zu sagen, dass Leo Samosir (Priester, indonesische Provinz) einige Jahre Spiritualität an der Universität Bonn und Stefan Bringer (zeitliche Profess) Theologie in St. Augustin studierte. Stefan verlies später den Orden und wurde Priester im Bistum Hildesheim.
Ich, Dirk Wasserfuhr, fuhr in diesen Jahren täglich zum 40 km entfernten Krankenhaus in Linz am Rhein, wo ich als Krankenpfleger tätig war. Als Konventuale war ich von November 1989 bis April 1994 in Bonn.